Wer A sagt muss auch B sagen – Auf Ankommen folgt Bildung

Wie die Integration von Neuzugewanderten mit kommunalem Bildungsmanagement gelingen kann

Art:

Ort:
Räucherei
Preetzer Str. 35
24143 Kiel
Datum: 
Dienstag, 13. September 2016 - 10:00 bis Mittwoch, 14. September 2016 - 15:45

Täglich kommen geflüchtete Kinder, Jugendliche und ihre Eltern in Schleswig-Holsteinischen Kommunen an. Allein die Unterbringung, Verteilung und Ausstattung bedeutet bereits einen erheblichen Kraftakt.

Eine dauerhafte Integration kann aber nur gelingen, wenn auch ein gleichberechtigter Zugang zu Bildungsangeboten gewährleistet werden kann – vom Spracherwerb bis hin zu beruflicher Qualifizierung. In den kommenden Jahren werden daher u.a. folgende Themen im Fokus vieler kommunaler Bildungsaktivitäten stehen: Qualifizierung und Beratung, Sprachkurse und Koordination von verschiedenen Bildungsangeboten für neuzugewanderte Menschen.

Wie aber lässt sich dies im Dschungel verschiedener Akteure und Zuständigkeitsebenen einer Kommune möglichst wirksam umsetzen, ohne Doppelstrukturen zu schaffen? Wie formt man langfristige, tragfähige und verbindliche Kooperationen der beteiligten Akteure?

Diesen und weiteren Fragen ging die Transferagentur Nord-Ost mit rund 40 Vertreterinnen und Vertretern aus neun Landkreisen und sechs kreisfreien Städten Schleswig-Holsteins auf ihrem 3. Kommunalsalon in der Räucherei in Kiel nach.

Eröffnung des Kommunalsalons durch Transferagentur Nord Ost

Inga Krabbenhöft, stellvertretende Leiterin der Transferagentur Nord-Ost und Leiterin des Regionalbüros Schleswig-Holstein, begrüßte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der „Räucherei“ im Kieler Stadtteil Gaarden. Dieser wurde bewusst als Veranstaltungsort gewählt, da sich Gaarden in den vergangenen Jahren zu einem „Vorzeigestadtteil“ in Bezug auf Vernetzung, Kooperation und Integration von Neuzugewanderten entwickelt hat.

Inga Krabbenhöft gab den Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen kurzen Überblick über die Arbeit der Transferagentur Nord-Ost und die Vorteile von datenbasiertem kommunalen Bildungsmanagement (DKBM). Dass dieses Thema schon von zahlreichen Schleswig-Holsteinischen Kommunen als wichtig eingeschätzt wird, zeigte sich auch daran, dass bereits 11 Kreise und kreisfreie Städte aus Schleswig-Holstein Zielvereinbarungen mit der Transferagentur Nord-Ost abgeschlossen haben und 13 von 15 Kreisen und kreisfreien Städten im Land einen Antrag auf Förderung im Rahmen des Programms „Kommunale Koordinierung der Bildungsangebote für Neuzugewanderte“ gestellt haben.

Rechtliche Grundlagen im Themenfeld Neuzuwanderung

Zum thematischen Einstieg präsentierte Martin Link, Geschäftsführer des Flüchtlingsrates Schleswig-Holstein e.V., Daten und Fakten zur Situation Geflüchteter in Schleswig-Holstein und gab einen Überblick über die Erstaufnahmeeinrichtungen. Er erklärte den Ablauf eines typischen Asylverfahrens und informierte über Entscheidungskriterien des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bei der Bescheidung von Asylanträgen. Außerdem ging Herr Link auf das sogenannte „Dublinverfahren“ ein und stellte Rechte und Pflichten Zugewanderter mit unterschiedlichem Aufenthaltsstatus vor.

Neue Migration im Handlungsfeld Kommunales Bildungsmanagement

Anschließend erläuterten Katrin Fläspoler und Iris Lopatta von den Transferagenturen für Großstädte, welche Rolle die (neue) Zuwanderung im Rahmen eines DKBM spielt, welche Herausforderungen für Kommunen mit einer super diversen Gesellschaft verbunden sind und welche Anforderungen an Monitoring und Steuerung sich daraus ergeben.

Insbesondere müsse es darum gehen, nicht Sondermaßnahmen und -fälle für Neuzugewanderte zu schaffen, sondern ein diversitätstaugliches Bildungssystem für die gesamte Gesellschaft. Die „Flüchtlingssituation“ habe die Unzulänglichkeiten des Regelbetriebs sichtbarer gemacht, aber nicht neu produziert. Deswegen vertreten Frau Fläspoler und Frau Lopatta die Ansicht, die Integration von Flüchtlingen in die kommunalen Bildungssysteme als eine Chance für die Verbesserung des Gesamtsystems zu betrachten.

Junge Zugewanderte am Übergang Schule-Beruf

Frau Wiebke Reyels vom Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) gab anschließend einen Überblick über die zentralen Herausforderungen und Bedarfe bei der Begleitung junger Zugewanderter am Übergang Schule-Beruf. Eine wichtige Zielgruppe, denn im Zeitraum Januar bis Mai 2016 waren 72,8 Prozent der Asyl-Antragstellenden in Schleswig-Holstein unter 30 Jahre alt. Die Gruppe der 16 bis 25 Jährigen machte immerhin 29,4 Prozent der Gesamtanzahl aus.

Hier seien vor allem eine schnelle und adäquate Potenzialermittlung, die Vermittlung von Sprachkompetenz auf Ausbildungsniveau sowie ein Zugang zu Arbeitsmarktförderung und Regelförderinstrumenten gefragt.

Als Erfolgsfaktoren für einen gelingenden Übergang ins Berufsleben nannte Wiebke Reyels drei zentrale Aspekte:

Den Aufbau bzw. die Intensivierung rechtskreisübergreifender Zusammenarbeit und Koordination unterschiedlicher Akteure, Auf- und Ausbau von Zielgruppenkompetenz und die unkomplizierte Feststellung der formellen und informellen Kompetenzen der jungen Geflüchteten (zur Früherkennung von Stärken/Schwächen und zur Berufswegeplanung).

Am Nachmittag hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Workshops Gelegenheit, tiefer in die Praxis einzusteigen.

Workshop 1: Neukonzeption der Beschulung von neu zugewanderten Kindern und Jugendlichen in Regelschulen in Münster

Christine Czepok, Bildungsberaterin beim Amt für Schule und Weiterbildung in der Stadt Münster, stellte in ihrem Workshop das aktuelle kommunale Konzept zur Beschulung von neu zugewanderten Kindern und Jugendlichen vor.

Kern des Konzeptes ist eine zentrale Anlauf-, Beratungs- und Clearingstelle/Bildungsberatung des Amtes für Schule und Weiterbildung in Münster, die eine systematische, individuelle Bildungs- und Schullaufbahnberatung für den Seiteneinstieg durchführt. Mit Praxisbeispielen aus dem operativen Arbeitsalltag illustrierte Christine Czepok die Chancen, Möglichkeiten und auch Grenzen dieses Konzepts.

Workshop 2: Das Gemeinwesen im Kontext von Flucht, Integration und (non-formaler) Bildung im ländlichen Raum

Pascal Bächer, Promotionsstudent an der Universität Vechta und Vorsitzender eines Jugendhilfeträgers, arbeitete im Workshop 2 den direkten Zusammenhang zwischen Bildung und Integration einerseits und dem Gemeinwesen, dessen Institutionen und Akteuren andererseits heraus.

Integration muss breiter verstanden werden: Neben klassischen Bildungseinrichtungen wie Kindergärten und Schule spiele auch die informelle Bildung sowie die Teilhabe am Gemeinwesen eine wichtige Rolle für die Vermittlung von Sprache, Werten und Normen. Es kommt auf die Vernetzung und das abgestimmte Handeln unterschiedlicher Akteure an.

In diesem Workshop kamen nach einem kurzen Input auch die Teilnehmenden zu Wort. Es wurden Herausforderungen und Perspektiven diskutiert, Erfahrungen ausgetauscht und mögliche Strategien entworfen.

Integrierte Sozialraumplanung in Kiel – der Stadtteil Gaarden

Birte Rassmus, Sozialplanerin der Landeshauptstadt Kiel (Dezernat für Soziales, Gesundheit, Wohnen und Sport), stellte den Kieler Stadtteil Gaarden aus sozialplanerischer Sicht vor. Die statistischen Merkmale des sozialen Brennpunktes bilden – vor allem im Vergleich zu anderen Kieler Stadtteilen – scharf ab, wo die Herausforderungen liegen und wo akuter Handlungsbedarf besteht. Welche strategischen Handlungsstrategien die Landeshauptstadt Kiel aus den Daten ableitet, wie sie diese in konkrete Maßnahmen überführt, wie diese evaluiert werden und wo die Schnittstellen zum Bildungsmanagement liegen, veranschaulichte Frau Rassmus ebenso wie die Kraft, Stärke und Kreativität, die der Stadtteil mit seiner bunten Einwohnerschaft entwickelt und das Leben dort durchaus lebenswert macht.

Gemeinsamer Rundgang durch den Stadtteil

Anschließend führte Tina Kliemann von der stadt.mission.mensch in Kiel die Teilnehmenden durch den Stadtteil Gaarden und den „Sport- und Begegnungspark Gaarden“. Dabei handelt es sich um ein offenes und öffentliches 37 Hektar umfassendes Gelände, welches Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen verschiedene Möglichkeiten der (gemeinsamen) Freizeitgestaltung bietet. Der Park ist der Ort, an dem die Bewohnerinnen und Bewohner des Stadtteils in ihrer Vielfalt miteinander in Kontakt kommen. Dafür arbeiten öffentliche, private und zivilgesellschaftliche Institutionen/Akteure vor Ort mit hohem Engagement Hand in Hand.

Der Sport- und Bewegungspark ist als Modellprojekt zur Verbesserung der sozialen Situation des Quartiers vom Experimentellen Wohnungs- und Städtebau ausgewählt und wird im Rahmen des Bund-Länder-Programms Soziale Stadt gefördert.
 

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