Bildungsteilhabe für alle ermöglichen

Bildungsintegration von Flüchtlingen durch ein kommunales Bildungsmanagement

Art:

Ort:
Evangelische Altenpflegeschule
Neues Ufer gGmbH
Alexandrinenstraße 19-20
19055 Schwerin
Datum: 
Dienstag, 15. März 2016 - 10:00 bis 16:30

In den kommenden Jahren wird die Bildungsintegration von Flüchtlingen der Fokus kommunaler Bildungsaktivitäten sein. Um dies im Rahmen eines kommunalen Bildungsmanagements zu organisieren, braucht es dafür abgestimmte Strukturen der Zusammenarbeit. Sie sind Grundlage für die Organisation und Koordination von Bildungsangeboten durch eine Vielzahl von Akteuren und Zuständigkeitsebenen.

Mehr als genug Grund also, diesen Themen gemeinsam mit 12 Vertreterinnen und Vertretern aus vier Landkreisen und zwei kreisfreien Städten Mecklenburg-Vorpommerns im Rahmen einer Fortbildung nachzugehen.

Ankommen in Deutschland: Der rechtliche Rahmen
Nach der Eröffnung durch Julia Quade, kommissarische Leiterin des Regionalbüros Schwerin der Transferagentur Nord-Ost, stellte Ulrike Seemann-Katz, Vorsitzende des Flüchtlingsrates Mecklenburg-Vorpommern, das Projekt „Netzwerk Arbeit für Flüchtlinge“ vor, schilderte die Entwicklung der Flüchtlingszahlen und gab eine Einführung in die rechtlichen Rahmenbedingungen des Bildungszugangs für Neuzugewanderte.

Im letztgenannten Zusammenhang erweise sich – so Seemann-Katz – als besonders schwierig, dass Flüchtlinge zwar nur etwa 10 Prozent der Zuwandernden stellten, gleichwohl aber in die meisten rechtlichen „Schubladen“ einsortiert werden müssten. Je nach Aufenthaltsstatus und Alter bestehe Zugang zu unterschiedlichen Bildungsangeboten – oder auch nicht. Und gerade an den Übergängen von einer „Schublade“ in die andere liefen zahlreiche Flüchtlinge Gefahr, durch das Raster zu rutschen und den Zugang zu Bildungsangeboten zu verlieren, die essentiell für eine erfolgreiche Eingliederung in das Bildungssystem sind – ein Eindruck, den auch die Teilnehmenden aus ihrer Praxis bestätigen konnten. Ulrike Seemann-Katz plädierte daher dringend für eine Vereinfachung des bestehenden Regelwerks.

Bildungsmanagement und Bildungsintegration: Ein starkes Team
Anschließend berichtete Katja Hinners, Bildungsmanagerin und stellvertretende Leiterin des Referats für Strategische Planung des Landkreises Osnabrück, von den im Rahmen von „Lernen vor Ort“ und danach gesammelten Praxiserfahrungen mit dem Zusammenhang von Bildungsintegration und Bildungsmanagement. Frau Hinners verdeutlichte, dass der Ansatz „Bildungsteilhabe für alle zu ermöglichen“ gebiete, auch und gerade den (Neu-)Zugewanderten durch Ausweitung und Schärfung bestehender Angebote einen Zugang ins Bildungssystem zu schaffen. Für diese Planungen und Entscheidungen bilden die Strukturen des kommunalen Bildungsmanagements die Grundlage.

Triebfeder für die Einführung eines kommunalen Bildungsmanagements im Landkreis Osnabrück sei die Erkenntnis gewesen, dass Bildungsteilhabe und Integration untrennbar verbunden sind. Diese Bildungsteilhabe effektiv umzusetzen sei wiederum eine originäre kommunale Gestaltungsaufgabe, da der Landkreis schlichtweg „dichter dran“ sei als Land oder Bund und sozialräumlich passender arbeiten könne. Und schließlich profitiere ja auch der Landkreis besonders von einer erfolgreichen Integration, u. a. durch die Vermeidung zukünftiger Folgekosten in den Bereichen Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe.

Bei der Einführung eines kommunalen Bildungsmanagements und der Einbindung der verschiedenen Akteure sei es vorrangig darum gegangen, von dem vielfach vorherrschenden Denken in Zuständigkeiten weg und hin zu einem Denken in gemeinsamer Verantwortung zu kommen. Aus den dabei gemachten Erfahrungen im Landkreis Osnabrück ließen sich verschiedene Erfolgsfaktoren für die Einführung eines Bildungsmanagements ableiten.

Insbesondere erweise sich als vorteilhaft, wenn Bildung im Kreis zur „Chefsache“ erklärt und entsprechend hoch, beispielsweise auf Landratsebene, aufgehängt und gelebt werde. Dies motiviere auch externe Akteure, sich an Arbeitsgruppen und Gremien zu beteiligen. Und nur unter Einbindung aller regionalen Akteure könne Bildungsmanagement nachhaltig erfolgreich sein.

Zudem müsse Bildung stets datenbasiert gestaltet werden. Im Landkreis Osnabrück beispielsweise werde inzwischen keine bildungspolitische Entscheidung mehr ohne genaue Analyse der Ausgangssituation getroffen. Dies erlaube sachgerechte und bedarfsorientierte statt interessensgeleiteter Planungsentscheidungen und schone die knappen kommunalen Ressourcen.

Eine weitere, möglicherweise auch für das Flächenland Mecklenburg-Vorpommern wichtige Erkenntnis war die Schwierigkeit, Bildungsprozesse zentral aus dem Landkreis heraus zu koordinieren. Im Landkreis Osnabrück wurden daher drei sogenannte Bildungsbüros „in der Fläche“ eingerichtet, die – gleichsam wie Seismographen – Entwicklungen in den Regionen aufspüren und gleichzeitig Bildungsthemen in die Region hineintragen können. Dies war selbstverständlich nur mit entsprechenden finanziellen Ressourcen möglich. In diesem Zusammenhang wies Katja Hinners auf die Möglichkeit hin, beispielsweise eine Zusammenarbeit mit örtlichen Stiftungen zu prüfen.

Sind die Strukturen eines Bildungsmanagements erst einmal etabliert, so ließen sie sich auch für die Bildungsintegration nutzen. Denn anders als beispielsweise bei der Unterbringung von Flüchtlingen, für deren Koordinierung eigens eine „Task Force“ im Landkreis Osnabrück eingerichtet wurde, müsse im Bereich der Bildung der Eindruck vermieden werden, dass eine Parallelstruktur mit Sonderleistungen eigens für die Flüchtlinge entstehe. „Bildung ist für alle“ – und daher Bildungsteilhabe für Neuzugewanderte auch eine Frage eines ganzheitlichen Bildungs- und nicht des Migrationsmanagements.

Abschließend gab Katja Hinners den Tipp, wo immer möglich an vorhandene Strukturen anzudocken und diese gegebenenfalls auszubauen. Vielfach gebe es die Tendenz, für alles und jedes ein neues Steuerungsgremium ins Leben zu rufen, obwohl es schon etablierte sinn- und sachverwandte Arbeitsbündnisse gebe.

Bedarfsgerechte Sprachförderung: Ein Praxisbeispiel
Nach der gemeinsamen Mittagspause schilderte Katja Hinners den Prozess der Entwicklung des Sprachförderkonzepts im Landkreis Osnabrück. Sie erläuterte anhand des Themas „Sprache“, welchen Nutzen die Strukturen des kommunalen Bildungsmanagements für die zielführende Umsetzung eines Bildungsthemas haben können.

Aus jährlichen Kita-Abfragen des Landkreises habe sich ergeben, dass nicht nur bei der Hälfte der Kinder mit einer Fremdsprache als Haushaltssprache, sondern auch bei etwa einem Fünftel der Kinder mit Deutsch als Haushaltssprache ein erheblicher Sprachförderbedarf bestehe. Sprachförderung müsse daher ganzheitlich für alle Kinder angeboten werden können, denn auch hier gelte der Grundsatz: „Bildung ist für alle“.

Eine der Herausforderungen war dabei der Ansatz, Familien als Bildungseinheit zu betrachten und entsprechend zu versorgen. Denn was bringe beispielsweise Sprachförderung für die Kinder, wenn die Eltern keinen Zugang zu Integrationskursen erhielten und die Grundzüge der deutschen Sprache nicht beherrschten? Die zugehörigen Kommunikations- und Abstimmungsprozesse zwischen der Kommune und der Schulbehörde hätten sich als ausgesprochen fordernd erwiesen. Schließlich seien aber gemeinsam Abstimmungs- und Verfahrenswege entwickelt und erfolgreich umgesetzt worden.

Ein Erfolgsgarant auch die Einrichtung eines Gremiums zur Kommunikation mit den Entscheidungsträgern und der Politik gewesen, da viele Entscheidungen im Zuge der Entwicklung des Sprachförderkonzeptes schlichtweg nicht auf der Arbeitsebene entscheidbar gewesen seien und eine Einzelabstimmung mit den jeweiligen Entscheidern ineffektiv gewesen wäre.

Insgesamt habe die Entwicklung des Sprachförderkonzeptes etwa ein halbes Jahr in Anspruch genommen, bis schließlich im September 2014 eine entsprechende Personalstelle zur Koordinierung der Sprachförderung bei der Volkshochschule eingerichtet werden konnte. Für die Ansiedlung bei der VHS habe vor allem gesprochen, dass die Erwachsenensprachförderung bereits dort verortet war, die VHS somit über die notwendige Organisationserfahrung verfügte und traditionell eine enge Anbindung der VHS an die Kreisverwaltung bestehe. Zudem wäre es nicht möglich gewesen, eine neue Personalstelle in der Verwaltung einzurichten und über den Haushalt des Landkreises abzubilden. Die Akzeptanz dieser neu eingerichteten Stelle in der Region sei durchweg gut: „Endlich mal einer mit Überblick!“

Der langfristige Erfolg einer solchen Koordinierungsstelle sei allerdings stark abhängig von der personellen Besetzung: Man brauche hier jemanden, der außerordentlich kommunikationsstark sei und Verständnis für vernetztes Arbeiten habe – Fachwissen sei hingegen eher nebensächlich.

Vom Beispiel in die eigene Praxis
In der abschließenden Arbeitsphase hatten die Teilnehmenden Gelegenheit, anhand der bildungsbiografischen Abschnitte Kita, Schule und Beruf Herausforderungen und Lösungsansätze für die Bildungsintegration in ihren Regionen zu erarbeiten, praktische Aspekte zu vertiefen und miteinander ins Gespräch zu kommen.

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